Mit der Ausstellung „Früher hießen wir Gastarbeiter.“ erweitert das MK&G seine Sammlung um zentrale fotografische Arbeiten von Muhlis Kenter, Nuri Musluoğlu, Asimina Paradissa und Mehmet Ünal. Die vier Fotograf*innen kamen in den 1960er- und 1970er-Jahren aus der Türkei und Griechenland nach Deutschland und hielten das Leben, Arbeiten und politische Engagement der sogenannten „Gastarbeitergeneration“ aus eigener Perspektive fest.
Rund 80 Fotografien und Collagen zeigen den Alltag von Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte in der Bundesrepublik – sie erzählen von sozialer Ungleichheit, Sexismus, Rassismus und dem Leben im Exil. Die Ausstellung eröffnet damit einen neuen Blick auf Themen, die in der gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Debatte aktueller sind denn je.
Im Geiste der Arbeiterfotografie-Bewegung, die sich dem Kampf gegen soziale Ungleichheit verschrieben hatte, greifen die vier Amateurfotograf*innen selbst zur Kamera, um ihr Umfeld sichtbar zu machen und Teil der öffentlichen Diskussion zu werden.
Die Fotograf*innen
Muhlis Kenter
(1952, Istanbul, Türkei)
Der in Bremen lebende Fotograf richtet seinen Blick auf Arbeit und Alltag in Deutschland. In eindringlichen Schwarzweißporträts dokumentiert Kenter türkische Arbeiter*innen in Bergwerken, Metall- und Textilfabriken, begleitet Bildungsprojekte für Kinder und Jugendliche und beleuchtet zugleich das deutsche Alltagsleben – vom Angeln über Taubenzucht bis zum Gärtnern. Seine Fotografien verbinden dokumentarische Schärfe mit empathischem Interesse für das Dazwischen: zwischen Fremdsein und Ankommen, zwischen Beobachtung und Teilhabe.
Nuri Musluoğlu
(1951, Istanbul, Türkei)
Musluoğlus Werk konzentriert sich auf das öffentliche Leben: Demonstrationen, Friedensmärsche, Streiks und politische Proteste, vor allem in Heilbronn, wo er lebte. Zwischen 1975 und 1988 entsteht ein visuelles Archiv des deutsch-türkischen Zusammenlebens. Seine Fotografien spiegeln die politische Kultur der 1970er- und 1980er-Jahre – von der Friedens- und Anti-AKW-Bewegung bis zum Widerstand gegen die Militärdiktatur in der Türkei – und dokumentieren zugleich die Realität von Rassismus und Ausgrenzung in Deutschland.
Asimina Paradissa
(1945, Vrastama, Griechenland)
Paradissa gehört zu den wenigen migrantischen Frauen, die in den 1960er-Jahren hinter der Kamera standen. Seit 1968 fotografiert sie ihr Leben in Deutschland – das Wohnheim für unverheiratete Arbeiterinnen in Wilhelmshaven, die Arbeit in der Fabrik, den Alltag zwischen Fremde und Selbstbehauptung. In ihren Selbstporträts verhandelt sie Fragen nach Identität und Zugehörigkeit. Ihre Fotografien geben migrantischen Frauen Gesichter, Namen und Stimmen und schreiben ihre Perspektive in die Geschichte der Arbeitsmigration ein.
Mehmet Ünal
(1951, Çanakkale, Türkei)
Ünals Werk verbindet Fotografie, Text und Objekt zu kraftvollen Collagen. Seine Arbeiten entstehen häufig aus dem Kontext politischer Aktionen und Proteste und beziehen Fundstücke aus Ämtern oder Behörden mit ein. Sie kommentieren die bürokratischen und gesellschaftlichen Erfahrungen von Migrant*innen in der Bundesrepublik und machen Mechanismen von Ausschluss und Marginalisierung sichtbar. In ihrer Komplexität und Prägnanz stehen Ünals Arbeiten an der Schnittstelle von Fotografie, Konzeptkunst und politischer Praxis.
Ein fotografisches Gedächtnis der Migration
Mit der Aufnahme dieser Werke in die Sammlung würdigt das MK&G vier künstlerische Positionen, die über Jahrzehnte unsichtbar blieben. Ihre Arbeiten erweitern die Geschichte der deutschen Fotografie um ein Kapitel, das Migration, Arbeit, Identität und Widerstand aus der Perspektive der Betroffenen selbst erzählt.
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