Klaus Albrecht Schröder, Direktor der Albertina, gibt Einblicke in die Ausstellung.

Die Kunst von Poussin bis David atmet den Geist des Ancien Régime: Kapriziös, heiter-verklärt und eskapistisch sind die Werke der großen französischen Meister des 17. und 18. Jahrhunderts. Ihre Zeichnungen illustrieren allerdings nicht die Realität ihrer Zeit, sondern bilden vielmehr die feudale Weltflucht einer Aristokratie ab, die die kommende Revolution nicht heraufziehen sieht. Im Unterschied zur Sitten- und Sozialkritik der zeitgenössischen Literatur von Voltaire u.a. erzählen die Bilder Watteaus, Bouchers und Fragonards von der weltfremden Geselligkeit des feudalen Lebens des späten Barock und Rokoko. In den imaginären Landschaften schildern die Hauptakteure jener Epoche ein entrücktes Leben, das nicht nur die Nymphen und Faune, griechische Göttinnen und römischen Heroen führen – die höfische Gesellschaft selbst träumt fernab von der Wirklichkeit holpriger Landstraßen, armer Dörfer und erbarmungsloser Kriege von einem arkadischen Leben in Frieden.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts, nachdem 1598 durch das Edikt von Nantes längere Phasen politischer Stabilität und eine damit verbundene wirtschaftliche Prosperität eintreten, beginnt der eigentliche Aufstieg Frankreichs zur führenden Kulturnation Europas. Kardinal Richelieu, der ambitionierte Mitgestalter der Künste unter Ludwig XIII., holt französische Meister aus Italien nach Paris zurück: Nicolas Poussin und der aus Lothringen stammende Claude Gellée, genannt Claude Lorrain, wirken mit ihren stimmungshaften Landschaften entscheidend an der Ausbildung eines nationalen französischen Stils mit.

Eine neue Blütezeit bricht im 18. Jahrhundert an: Watteaus fêtes galantes, Darstellungen von fantasievoll kostümierten Liebespaaren in idyllisch-verklärten Traumlandschaften, und Bouchers anmutige Darstellungen mythologischen und erotischen Inhalts werden zum Inbegriff des französischen Rokoko. Den glanzvollen Höhepunkt bilden die Meisterwerke Jean-Honoré Fragonards. Sein OEuvre umfasst neben Porträts, religiösen wie mythologischen Sujets und Illustrationen nach literarischen Vorlagen vielfach galante Genredarstellungen sowie amouröse Schäfer- und Boudoirszenen.

Die Beliebtheit dieser weltabgewandten Ästhetik lebt noch fort in den bezaubernden Schilderungen des Alltags von Jean-Baptiste Greuze, der eine Sattelstellung zwischen Rokoko und Klassizismus einnimmt. Sein melodramatisches Diptychon vom undankbaren Sohn weist bereits auf die pathetisch-heroische Bildsprache des Klassizismus und auf Jacques-Louis Davids monumentale Schlachtenskizze Die Kämpfe des Diomedes voraus. Die letztere Zeichnung entsteht im Jahr der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika: 1776, einem Wendepunkt der Geschichte, einem Höhepunkt der Aufklärung und zugleich dem Schlusspunkt der Ausstellung französischer Zeichenkunst des 17. und 18. Jahrhunderts. Mit diesem Meisterwerk Davids geht das Ancien Régime zu Ende – die Epoche der Revolution bricht an.

Die Sammlung Herzog Alberts von Sachsen-Teschen verdankt sich jenem Geist der Aufklärung, der mit der Erklärung der Menschenrechte die persönliche Freiheit und die Gleichheit vor dem Recht über die von der Herkunft abgeleitete Ordnung setzt. Die einzelnen Meisterwerke – von der majestätischen Idealisierung der Natur Lorrains bis zur monumentalen Schöpfung Davids – erzählen von den Idealen einer feudalen Elite, die dem Untergang geweiht war.

Hier geht’s zu den Werken der Ausstellung in der Online-Sammlung.

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