Jan Assmann diskutiert den Preis, den die Durchsetzung des Monotheismus und seines universellen Wahrheitsbegriffs gefordert hat und geht zurück auf die Vorstellung weiblicher Gottheiten, wie der ägyptischen Isis und deren Spuren in der Entwicklung der monotheistischen Religionen. Die Ägypter lebten in einer Welt voller Götter, die sie sich nicht von außen geschaffen, sondern von innen, aus einem Gott, entstanden dachten. Ihnen fehlte die scharfe Unterscheidung von Gott und Welt, wie sie das biblische Weltbild kennzeichnet. Über griechische (hermetische, neuplatonische) Quellen lebte dieses Weltbild als „kosmotheistische“ Unterströmung im Abendland weiter und verband sich vor allem mit der Göttin Isis als „Mutter Natur“ oder Natura naturans.
Micha Brumlik diskutiert die polaren Geschlechterbedeutungen innerhalb der monotheistischen Gottesvorstellung, nicht zuletzt am Beispiel der Gnosis. Dabei wird deutlich, dass der Monotheismus durchaus seine eigene Form des Pluralismus finden konnte und kann. Zudem trägt auch der eine Gott des Judentums – biblisch und nachbiblisch – weibliche Züge; Eigenschaften, die später von der jüdischen Mystik, der Kabbala, entfaltet wurden.

Jan Assmann lehrte Ägyptologie, Religions- und Kulturwissenschaften in Heidelberg und löste mit seinen Publikationen zum kulturellen Gedächtnis und zur Entstehung des Monotheismus produktive Kontroversen aus. Er ist seit seiner Emeritierung Honorarprofessor für Allgemeine Kulturwissenschaft in Konstanz.

Micha Brumlik lehrte Erziehungswissenschaften in Heidelberg und Frankfurt am Main, und erwies sich immer wieder als streitbarer politisch-philosophischer Denker und Publizist – und als kritischer Akteur im interreligiösen Dialog. Er ist derzeit Seniorprofessor am Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg.


Einführung durch die Kuratorinnen Dr. Felicitas Heimann-Jelinek und Dr. Michaela Feurstein-Prasser, Wien.
Das Jüdische Museum Hohenems stellt eine herausfordernde Frage an die monotheistischen Religionen: Kann der nach jüdischer, christlicher und muslimischer Tradition „einzige Gott“ auch anders als männlich verstanden werden? Die Ausstellung „Die weibliche Seite Gottes“ wirft einen kritischen Blick zurück auf die Quellen, aus der sich die Idee des einen Gottes speiste. Und auf traditionelle Bilder des Weiblichen in der religiösen Tradition. Sie entdeckt verborgene und verdrängte Überlieferungen alternativer Vorstellungen des Göttlichen: in der hebräischen Bibel und in der Mystik, in der Praxis jüdischer, christlicher und muslimischer Frauen, und in den Arbeiten von Künstlerinnen, die den Rahmen überkommener Bilder von Geschlecht und Heiligkeit sprengen.

Eröffnungsrede Ausstellung : Die weibliche Seite Gottes am 30. April 2017

Rabbinerin Bea Wyler, Wettingen (CH)
Neue Ausstellung
30. April bis 8. Oktober 2017
Eine Ausstellung des Jüdischen Museums Hohenems
In Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Frankfurt
und dem Museum of the Bible, Washington DC

Im biblischen Buch Genesis 1,27 heißt es: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“

Das Jüdische Museum Hohenems stellt eine herausfordernde Frage an die monotheistischen Religionen: Kann der nach jüdischer, christlicher und muslimischer Tradition „einzige Gott“ auch anders als männlich verstanden werden? Die Ausstellung wirft einen kritischen Blick zurück auf die Quellen aus der sich die Idee des „einen Gottes“ speiste, und auf traditionelle Bilder des Weiblichen in der religiösen Tradition. Sie entdeckt verborgene und verdrängte Überlieferungen alternativer Vorstellungen des Göttlichen. Die Möglichkeit einer – mal mehr mal weniger – sexuell weiblich definierten Dimension Gottes blitzt in der hebräischen Bibel, in außerkanonischen Schriften und in der rabbinischen Literatur auf.

Explizit lebt sie vor allem in der jüdischen Mystik fort – um im 20. Jahrhundert folgenreich wiederentdeckt zu werden: nicht zuletzt in der Praxis jüdischer, christlicher und muslimischer Frauen und in den Arbeiten von Künstlerinnen, die den Rahmen überkommener Bilder von Geschlecht und Heiligkeit sprengen.

Im Alten Orient wurden weibliche Gottheiten meist nur in enger Verbindung zu ihren männlichen Partnern wahrgenommen. Das spiegelt sich auch in der Herausbildung des Jahwismus wider. Obwohl das Bilderverbot auch die Frage nach einer konkreten Geschlechterzuschreibung ausschloss, wurde das Verständnis von Gott, „dem Herrn“, in den monotheistischen Weltreligionen eindeutig männlich definiert.

Die Ausstellung hinterfragt Vorstellungen von Weiblichem als negativer Antithese zu Männlichem und stellt jüdische und andere Frauen in den Blick, die ihre eigenen Dimensionen des Göttlichen suchten und suchen.

Kuratorinnen
Felicitas Heimann-Jelinek und
Michaela Feurstein-Prasser (xhibit, Wien)
Projektorganisation
Hanno Loewy, Birgit Sohler (Hohenems)
Architektur
Martin Kohlbauer (Wien)
Grafik und Design
atelier stecher (Götzis)
Roland Stecher, Thomas Matt
Redaktion
Rudolf Jelinek (Wien)
Übersetzungen
Lilian Dombrowski (Raanana)
Tamar Avraham (Jerusalem)
Vermittlung
Tanja Fuchs, Judith Niederklopfer-Würtinger,
Angelika Purin (Hohenems)
Sekretariat
Gerlinde Fritz (Hohenems)
Technik
Dietmar Pfanner (Hohenems)

Weitere Informationen: Jüdisches Museum Hohenems

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