Für ihre Ausstellung von Naturselbstdrucken übernimmt Anna Artaker den Titel der Publikation, mit der William Henry Fox Talbot 1844–46 sein fotografisches Verfahren vorstellte: The Pencil of Nature. Ausgangspunkt für die Naturselbstdrucke sind Talbots Fotogramme: Für seine Versuche, Lichteinfall auf Papier zu fixieren, verwendete Talbot Pflanzen, die er mit Glasplatten auf das präparierte Papier presste und dem Sonnenlicht aussetzte, um sie als negative Schattenrisse zu fixieren.

Diese „Geburt der Fotografie aus dem Geiste der Botanik“ verbindet Anna Artaker mit dem Naturselbstdruck, einer Mitte des 19. Jahrhunderts in Wien perfektionierten Technik. Wie das Fotogramm basiert auch der Naturselbstdruck auf einer Berührung mit der Natur „die sich selbst zum Drucke hingibt“, wie Alois Auer schreibt, der als Direktor der k. k. Hof- und Staatsdruckerei die Entwicklung des Naturselbstdrucks bis zur Patentierung 1852 vorantrieb: Ausgehend von einem Abdruck des zu druckenden Gegenstands in Blei wird über zweimalige galvanoplastische Abformung eine Kupfertiefdruckplatte erzeugt, die originalgetreue Bilder nicht nur der sondern auch durch die Natur liefert. Die Ausstellung präsentiert zeitgenössische Naturselbstdrucke von Pflanzen, die Talbot seinerzeit für Fotogramme verwendet hat, und zeigt die Zwischenstufen des Verfahrens, sowie ein Faksimile und einen Originalabzug aus Talbots Publikation.

Die Serie THE PENCIL OF NATURE thematisiert das Ideal der Selbstabbildung, das nicht nur der Naturselbstdruck, sondern auch die Fotografie für sich beansprucht. Fokussiert wird der historische Moment, in dem Bilder durch die Natur noch den direkten physischen Kontakt erfordern, wie bei Talbots Fotogrammen, wo die Berührung das Bild erzeugt. Talbots Lochkamera dagegen emanzipiert den Prozess der Bildwerdung von der Berührung. Trotzdem beschreibt er seine Fotografien als „impressed by Nature’s hand“, verwendet den Abdruck also weiterhin als Metapher um die „Unmittelbarkeit“ und „Authentizität“ der Fotografie zu betonen. In unserer Gegenwart, in der digitale Bilder scheinbar unbegrenzt verfügbar sind und auf Millionen Bildschirmen gleichzeitig erscheinen können, stellt die Rückbesinnung auf den Naturselbstdruck, ein Medium des Abdrucks, die Frage nach dem Wirklichkeitsbezug von Bildern neu.

Anna Artaker, geboren 1976, Studium der Philosophie und Politikwissenschaften an den Universitäten Wien und Paris 8 sowie der Konzeptkunst an der Akademie der bildenden Künste Wien, lebt und arbeitet in Wien.

Anna Artaker: THE PENCIL OF NATURE
18.5. – 16.7.2017

Weitere Informationen: Kunstforum Wien

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