Wie wählen Russlanddeutsche wirklich? – Klischees auf dem Prüfstand
Aufzeichnung einer Diskussionsveranstaltung vom 25.03.25
Sind Russlanddeutsche tatsächlich besonders anfällig für populistische Parteien? Oder steckt hinter diesem oft wiederholten Vorurteil ein vielschichtigeres Bild? Diesen und weiteren Fragen widmete sich am Dienstagabend eine Diskussionsveranstaltung im Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold – organisiert im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus.
Unter dem Titel „Wie wählen Russlanddeutsche wirklich?“ diskutierten Expert*innen aus Journalismus, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über politische Einstellungen, Identität und gesellschaftliche Zuschreibungen. Die Veranstaltung war Teil der Sonderausstellung #Constructing Identity, die mit stereotypen Bildern über Russlanddeutsche aufräumen will.
Differenziertes Wahlverhalten statt Klischees
Kyra Funk, Journalistin und Autorin der vielbeachteten Dokumentation „Russlanddeutsche, die AfD & ich“, berichtete von ihren persönlichen Begegnungen mit Russlanddeutschen unterschiedlicher Generationen. Sie betonte, dass populistische Tendenzen zwar vorkämen, aber längst nicht die ganze Geschichte erzählten. „Die Erzählung, Russlanddeutsche wählten mehrheitlich rechts, ist zu pauschal und wird medial oft unreflektiert übernommen“, so Funk.
Auch der Soziologe Hakob Matevosyan widersprach einfachen Erklärmustern. Als Ko-Autor der Studie „Mit Russlandhintergrund in Deutschland: Ansichten zu Politik, Gesellschaft und Geschichte“ präsentierte er differenzierte Zahlen: „Unsere Daten zeigen ein deutlich diverseres politisches Meinungsspektrum. Viele Russlanddeutsche orientieren sich nicht nur an einer Partei – sie fühlen sich politisch oft heimatlos.“
Zugehörigkeit, Misstrauen und gesellschaftliche Erfahrungen
Peter Dück, Mitglied des Integrationsrates der Stadt Detmold und engagierter Vertreter der russlanddeutschen Community, sprach über das Misstrauen vieler Russlanddeutscher gegenüber staatlichen Institutionen – ein Erbe der sowjetischen Vergangenheit. „Viele haben über Jahrzehnte gelernt, der Regierung nicht zu trauen. Das wirkt bis heute nach“, erklärte Dück.
Die Moderation übernahm Edwin Warkentin, Kulturreferent für Russlanddeutsche, der die verschiedenen Perspektiven zusammenführte und aufzeigte, wie wichtig es sei, migrantische Stimmen differenziert zu betrachten.
Ein Abend gegen Schubladendenken
Die Veranstaltung zeigte eindrucksvoll, dass das Wahlverhalten von Russlanddeutschen nicht auf einfache Stereotype zu reduzieren ist. Vielmehr spiegeln sich darin komplexe Erfahrungen von Migration, Identität und politischer Sozialisation wider.
Mit der Veranstaltung leistete das Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der Debatte – und setzte ein Zeichen gegen rassistische Vereinfachungen und Klischees.
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