Der französische Maler und Graphiker Odilon Redon (1840–1916) gehört mit seinem vieldeutigen Werk zu den eigenwilligsten Künstlern der anbrechenden Moderne. Dieses führt vom Dunkel ins Licht, vom Schwarz der frühen Kohlezeichnungen und Lithographien zu den malerischen Farbfantasien seines reifen Schaffens. Obwohl Redon ein Freund und Zeitgenosse der Impressionisten war, schuf er als Individualist ein hintergründiges Œuvre, das entscheidend über das Erfassen reiner Sinneseindrücke hinausreichte. Vielmehr prägte ihn die Geisteshaltung des Fin de Siècle, die naturwissenschaftlichen Diskurse zum einen, zum anderen auch die Literatur seiner Zeit, die sich vom Realismus und von bürgerlichen Normen abkehrte und sich in der Rückbesinnung auf die Mysterien der Romantik dem Fantastischen, Verborgenen und Unbewussten zuwandte.

Vor diesem Hintergrund entwickelte Redon in seinen graphischen Blättern, den sogenannten Noirs, ein eigenes bildnerisches Vokabular, in dem präzise Naturbeobachtung und freie Imagination aufeinandertreffen. Es sind geheimnisvolle und träumerische Darstellungen von urzeitlichen Organismen, mythischen Wesen und kosmischen Gestalten, die später in seinem malerischen Werk in leuchtenden Farben in Erscheinung treten. Darin wandelt sich das Unheimliche und düster Anmutende zum Heiteren, indem sich die gegensätzlichen Welten wie Traum und Wirklichkeit, Naturwissenschaft und Mythos, Gegenständlichkeit und Abstraktion in überraschenden Konstellationen verbinden.

Im Zentrum der Ausstellung steht das bedeutende lithographische Œuvre Redons, das mit einer Auswahl einzigartiger Pastelle und Gemälde in einen Dialog tritt. Die reine Farbigkeit seines Spätwerks bildet den Abschluss der Werkschau. Redon wird darin nicht nur als Künstler des französischen Symbolismus gezeigt, sondern als aufgeschlossener Geist an der Schwelle zum 20. Jahrhundert, der mit seinem weit gefächerten Horizont dazu anregt, seine Bildwelten in unseren Vorstellungen weiterzudenken.

Kuratorin: Andrea Lutz

Weitere Informationen: Kunst Museum Winterthur

Video: arttv.ch / Morena Barra

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