In der Serie Kunstwerk des Monats stellt das Museum Kunstpalast regelmäßig ausgewählte Exponate vor. Der Februar gehört der chale und dem Deckelpokal der „Parcival Serie“

In Zusammenarbeit mit IKS – Institut für Kunstdokumentation und Szenografie
© Museum Kunstpalast

„Da bot man ihnen zu trinken an / aus vielen verschiedenen bunten Steinen: / aus Smaragd und Sardîn, / auch etliche Rubine waren darunter.“

Dieses kostbare, in der mittelalterlichen Dichtung Wolfram von Eschenbachs beschriebene Tafelgeschirr Parzivals scheint in den monumentalen Glasgefäßen der „Parcival Serie“ eine prachtvolle neuzeitliche Umsetzung gefunden zu haben. Sie wurden 1889 nach Entwürfen Richard von Kraliks für das traditionsreiche Wiener Familienunternehmen J. & L. Lobmeyr gefertigt.

Zu der in sehr geringen Stücken aufgelegten Serie gehören neben Schale und Deckelpokal noch Becher, Römer und eine Kanne. Sie dienten als Ziergläser repräsentativen Zwecken und geben in Emailmalerei Illustrationen des Gralsmythos wieder. Die Schale zeigt in sechs Bildfeldern die biblische Vorgeschichte der mittelalterlichen Überlieferung der Gralssuche. Als zentrales Motiv erscheint das Haupt Luzifers als Erzengel mit einer durch große Edelsteine geschmückten Krone. Sein Hochmut, sich mit Gott gleichstellen zu wollen, führt zum Kampf mit dem Erzengel Michael (unten links im gotischen Fünfpass). Beim Höllensturz Luzifers löst sich aus seiner Krone ein wundertätiger Stein, der zu einem Kelch umgearbeitet wird und in den Besitz der Heiligen Drei Könige gelangt. Die anschließenden Szenen zeigen den Kelch als Geschenk der Könige an das Christuskind und seine Verwendung beim letzten Abendmahl. Bei der Kreuzigung nimmt er das Blut Christi auf und wird schließlich von Joseph von Arimathia über das Meer nach England gebracht, von dort gelangt das Gefäß dem Gralsmythos folgend nach Spanien. Titurel, der Ahnherr der Gralshüter, errichtet die Gralsburg, einen kapellenreichen Rundbau von unbeschreiblicher Pracht. Dieser ist als Modell in der Hand des Titurel auf der Hauptseite des monumentalen Pokals dargestellt und dient zugleich als Vorbild für die dreistufige Form seines Deckels. Der Pokal zeigt wie die übrigen Gefäße Illustrationen zur Suche Parzivals nach dem wundertätigen Gefäß, das in der unzugänglichen Burg vom Gralskönig und seinen Rittern bewacht wird.

Der Historiker, Philosoph und Schriftsteller Richard von Kralik (1852–1934) beschäftigte sich intensiv mit der Tradition des Sagenkreises um den Heiligen Gral. Er vermochte in der „Parcival Serie“ mittelalterliche französische und deutsche Gralsepik miteinander zu verknüpfen, eigene Dichtungen einfließen zu lassen und somit zu einer eigenständigen künstlerischen Aussage zu finden. Als Musikkritiker stand von Kralik dem Werk Richard Wagners nahe, dessen „Parsifal“ seit 1882 bei den Bayreuther Festspielen aufgeführt wurde. In den folgenden Jahren ver-öffentlichte von Kralik mehrere kulturhistorische Schriften zum Gralsmythos und gehörte 1905 zu den Mitbegründern der katholisch-konservativen Schriftstellervereinigung „Gralbund in Wien“. Seine autodidaktischen Zeichnungsübungen fanden ihre Vollendung in den Vorlagen für die prunkvollen Glasgefäße, die von Kralik seinem Onkel Ludwig, dem Inhaber des Glasverlagshauses J. & L. Lobmeyr, zur Verfügung stellte. Die Ausführung der von Lobmeyr gelieferten Entwürfe übernahm die Adolfhütte der Firma Meyr’s Neffe bei Winterberg (Vimperk), Südböhmen, eine der ältesten Kunstglasfabriken Europas unter der Leitung des Unternehmers Karl Kralik von Meyrswalden, einem Halbbruder Richards.

Die „Parcival Serie“ zeigt ein Zusammenwirken von literarischem Inhalt und bildlicher Darstellung, von Form, Farbe, Schrift und Dekor in kaum zu übertreffender handwerklicher Ausführung. Sowohl Schale als auch Deckelpokal erinnern an liturgische Gefäße der Eucharistiefeier, wie den zumeist aus Edelmetall gefertigten Abendmahlsteller (Patene) und das Ziborium. Die rubinrote Farbe als wirkungsvoller Grundton der „Parcival Serie“ verweist nicht nur auf das Blut Christi, das im Heiligen Gral bewahrt wird, sondern bezieht sich darüber hinaus auch auf den wundertätigen Jaspis aus der Krone Luzifers. Als einheitliches Stilmittel wirken die an mittelalterliche Malerei angelehnten Bildszenen, der Dekor und der schlichte Reim der begleitenden Verse. Ganz im Sinne des Historismus des ausgehenden 19. Jahr-hunderts hatte sich Richard von Kralik intensiv mit den tradierten Formen auseinandergesetzt und dabei eigene erzählerische und dekorative Ausdrucksformen gefunden. Er legte großen Wert darauf, dass der Betrachter die „Parcival Serie“ in einem allgemeinen Sinne als mittelalterlich empfand, wobei jedoch eine Orientierung an byzantinischer Kunst unübersehbar ist. In der ornamentalen Auffassung einiger Bildelemente der „Parcival Serie“ klingt, über den Historismus hinausgehend, bereits der Jugendstil an. Überraschend erscheint die klassizistische Darstellung Luzifers, dessen Gestalt an griechisch-römische Gottheiten erinnert.

Sabine Schroyen

Mehr unter smkp.de

Abonniere unseren Newsletter