MASBEDO: 2’59’’ (Videostill), 2014, Sammlung Wemhöner, Courtesy MASBEDO & Snaporazverein

(Presseinformation) Mit der Ausstellung „Mix it“ präsentiert Marta Herford bis zum 15. Oktober zwischen Sinnlichkeit, Coolness und Ekstase emotionsgeladene Erinnerungsräume und fesselnde Soundlandschaften. Neun Videoarbeiten von international renommierten KünstlernInnen greifen das Zusammenspiel von Sound und Bewegtbild auf und zeigen das vielfältige Potential dieser berauschenden, poetischen und manchmal auch provozierenden Verbindung. Die KünstlerInnen agieren gleichzeitig als DJs, zitieren und remixen Songs, verfolgen eigene Bandprojekte und kooperieren mit bekannten MusikerInnen. Dabei setzen ihre Werke die Popmusik in neue, teilweise verblüffende Zusammenhänge und machen sichtbar, welche starke Ausdruckskraft Musik in Verbindung mit Videobildern besitzt.

„Even if I’m a visual artist, I build on the sound, I build with the sound and in the process I let sound trigger its visual reality.” Anri Sala

Videokunst ist ein zeitbasiertes Medium, das Erinnerungen archiviert und neue Perspektiven auf die Gegenwart eröffnet. Für „Desniansky Raion“ (2007) verwendete der französische Künstler Cyprien Gaillard unter anderem gefundenes Videomaterial von Straßenkämpfen rivalisierender Gangs in den Vororten von St. Petersburg, das im Internet kursiert. Gerahmt von sozialistischen Häuserkomplexen, die in der Nachkriegszeit als moderne soziale Wohnkomplexe geplant wurden, stehen diese brutalistischen Bauten heute stellvertretend für die gescheiterte Utopie einer Gesellschaft ohne Klassenunterschiede und die dort ausgefochtenen blutigen Kämpfe für die tiefe Zerrüttung unserer heutigen Gemeinschaft. Gaillard unterlegt das Bildmaterial mit hypnotisch elektronischen Beats des französischen Produzenten und Künstlers Koudlam.

Anri Sala: Le Clash (Videostill), 2010, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017 Courtesy: Galerie Chantal Crousel, Paris; Marian Goodman Gallery; Hauser & Wirth, Esther Schipper, Berlin; kurimanzutto, Mexico City

Disharmonische, sphärische Sounds erklingen im Video „Le Clash“ (2010) von Anri Sala. Der albanische Künstler, der sich in seinen Videos mit sozialen und politischen Veränderungen auseinan-dersetzt, lässt drei Individuen mit einer Drehorgel und einer Musikbox um eine verwaiste Konzert-halle in Bordeaux kreisen. Die weltbekannte Zeile der gleichnamigen Rockhymne „Should I Stay Or Should I Go”, mit der The Clash in den frühen 1980er Jahren einen Welthit landeten, hallt verzerrt über den verlassenen Ort und wird von der umgebenden Architektur als Echo zurückgespielt. So entsteht eine brüchige Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Trailer:

In Christian Jankowskis Installation „The Day We Met“ (2003), einer begehbaren Karaoke-Box, können die BesucherInnen aus tausenden Songs ihren Lieblingshit auswählen und singen. In Zusammenarbeit mit einem der größten Karaoke-Maschinen-Hersteller Koreas sind vier Videos entstanden, die fest zum Repertoire der weltweit verkauften Maschinen gehören und Jankowski als Akteur vor der Kamera zeigen. Die verwackelten Bilder greifen dabei die Ästhetik privater Videoauf-nahmen auf, die vom Alltag eines jungen Pärchens erzählen. Collageartig sind die Filmausschnitte aneinander gereiht und zeigen, dass die Popkultur ein weltweites Phänomen ist, ebenso wie der kulturelle Austausch über Kunst. Karaoke als ein Massenphänomen wird hier zum Träger für Jankowskis Videokunst, die sich unkontrollierbar und unaufhaltsam auf der ganzen Welt verbreitet.

Wolfgang Tillmans: Visual Album: Fragile That’s Desire / Here We Are EP (Videostill), 2016, Courtesy of the Artist

Wolfgang Tillmans hat im vergangen Jahr mit seinem Bandprojekt und gleichnamigen Label „Fragile“ gleich drei EPs auf den Markt gebracht. „Fragile That‘s Desire / Here We Are“ (2016) brachte der Fotograf zeitgleich mit einem „Visual Album“ heraus, in dem er Sound und Bild atmosphärisch miteinander verbindet. Eine Lichtprojektion mit wechselnden Pastellfarben und eine korridorförmi-ge, cleane Rauminstallation, die Teil einer Ausstellung in Los Angeles waren, dienten als Kulisse für die spontanen Improvisationen der gecasteten PerformerInnen. Mit seinem Bandprojekt greift Tillmans Einflüsse seiner Jugendzeit wieder auf, punkige New-Wave-Ästhetik trifft auf NDW, der Künstler wechselt fließend zwischen deutscher und englischer Sprache und erhält musikalisch Unterstützung u.a. von der Rapperin Ash B, die zusammen mit dem Fotografen im Video zu sehen ist. Tillmans lotet mit seinem „Visual Album“ die Beziehung von Künstler und Musiker, Fotograf und Akteur und den damit verbundenen Rollen vor und hinter der Kamera aus.

Daneben werden in der Ausstellung noch fünf weitere, thematisch und ästhetisch tiefgreifende Videos gezeigt. Die Berliner Künstlerin und Produzentin Fatima Al Qadiri verbreitete in den sozialen Netzwerken mit „Vatikan Vibes“ (2011) ein religionskritisches Musikvideo im Stil eines Computer-spiels. Masbedo, ein Künstlerduo aus Italien, zerstören mit einer dramatischen Geste im Video „2‘59“ (2014) den Welthit „Imagine“ von John Lennon. Jeremy Deller & Cecilia Bengolea nehmen die BesucherInnen in „Bom Bom‘s Dream“ (2016) mit in die exotische Dance-Hall-Subkultur Jamaikas, während der französische Künstler Mohamed Bourouissa, unterlegt von der wortgewaltigen Rapmusik Boobas, das Leben in den Pariser Banlieus in „All-In“ (2012) anprangert. Der amerikanische Multimedia-Künstler Doug Aitken schließlich versammelt für „Song 1“ (2012) bekannte Persönlichkeiten wie No Age, James Murphy und Devendra Banhart neben vielen weiteren Musikern, die den weltbekannten Hit „I Only Have Eyes for Yor“ neu interpretierten. Als einer der meist gecoverten Songs weltweit, untermalt die Soundcollage kaleidoskopische Szenen nächtlicher Straßenzüge, hell erleuchtete Textilfabriken und Großaufnahmen von Musikern und Schauspielern.

Die Ausstellung wird gefördert vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen und der Bezirksregierung Detmold.

Veranstaltungspartner für das Workshop-Programm und die Marta-Bandnacht ist create music.
Materialsponsoren für die Ausstellung sind Brillux GmbH & Co. KG, Hörmann KG und T + A elektro-akustik GmbH & Co. KG.

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