Charles Despiau (1874—1946) gilt als der wichtigste französische figürliche Bildhauer neben Aristide Maillol (1861—1944). Beide Künstler wurden als Extreme beschrieben: Maillol als Darsteller der klassischen Ruhe und Despiau als Gestalter der Anspannung und Komplexität des modernen Daseins. Despiaus Figuren und Porträts sind ein Statement zu den grundlegenden Fragestellungen der Bildhauerei des 20. Jahrhunderts: Volumen, Richtung und Raum. Seine Arbeiten sind ein gutes Beispiel dafür, dass minimale Eingriffe in ein Kunstwerk, wie u. a. geringfügige Drehungen des Kopfs, eine maximale Bedeutung bekommen. Diese sind auf Anhieb nicht gleich sichtbar, aber durch genaues Beobachten unmittelbar wahrnehmbar. Seine Plastiken scheinen realistisch, aber wie kaum ein Anderer manipulierte er die Formen, um ihre Präsenz zu steigern. Gezeigt werden 45 Skulpturen und 20 Zeichnungen, zusammengetragen aus französischen, niederländischen und deutschen Sammlungen.
Despiaus posthumer Ruhm war in Frankreich umstrittener als außerhalb des Landes. Im eigenen Land war sein Ruf durch seinen Kontakt zu Arno Breker (1900—1991), dem wichtigsten Bildhauer des Dritten Reichs, deutlich geschädigt . Eine Wiederentdeckung Despiaus in dieser Ausstellung zeigt, dass sein Renommee andernorts davon unberührt und seine Werke nahezu in allen großen internationalen Ausstellungen zu sehen waren.

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