Alchemie. Die Große Kunst – Eine Sonderausstellung der Staatlichen Museen zu Berlin in Kooperation mit dem Getty Research Institute, Los Angeles
Die groß angelegte Ausstellung im Berliner Kulturforum beleuchtet das Verhältnis von Kunst und Alchemie auf rund 800 Quadratmetern. Gezeigt werden mehr als 200 Exponate aus über 3000 Jahren Kunst- und Kulturgeschichte aus den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin und der Staatsbibliothek, ergänzt durch herausragende Leihgaben namhafter internationaler Institutionen.

Carl Spitzweg: Der Alchimist, um 1860, Öl auf Leinwand, Staatsgalerie Stuttgart, ©
Staatsgalerie Stuttgart

Die Alchemie ist ein Schöpfungsmythos und dem künstlerischen Schaffen daher wesensverwandt – diese Idee durchzieht alle Epochen und Kulturen, sie berührt die alchemistische Theoriebildung ebenso wie die künstlerische Praxis. Eine Ausstellung zur Kunst der Alchemie ist daher wie geschaffen für die Staatlichen Museen zu Berlin, deren Bestände von der Vor- und Frühgeschichte bis in die Gegenwart reichen. Die Alchemie ist ein Universalthema für ein Universalmuseum.

Der Begriff Alchemie leitet sich vom arabischen al-kīmiyá (dt. in etwa „die Kunst des Metallgießens“) ab und wurde durch die Übersetzung arabischer Texte seit dem 12. Jahrhundert im Abendland verbreitet. Der Alchemie verwandte handwerkliche Praktiken gab es jedoch bereits lange vor unserer Zeitrechnung. Schmiedekunst und Metallurgie im babylonischen Reich, die Nachahmung von Edelmetallen in der sogenannten Tempelindustrie und das Färberhandwerk im Alten Ägypten, chemische Stoffumwandlungsprozesse in der griechischen Naturphilosophie oder pharmazeutische Praktiken und Unsterblichkeitsmythen in China können als frühe, protoalchemische Zeugnisse angeführt werden.

In Europa wurde die Alchemie im Mittelalter als Ars Magna, die Große Kunst, bezeichnet und ihre Praxis diente künstlerischem Schaffen. Die These, dass die Kunst der Alchemie die Natur am besten nachahmen könne, wurde an den Universitäten von Paris und Oxford von Gelehrten wie Thomas von Aquin oder Roger Bacon diskutiert. Entgegen dem Missverständnis, dass das Anliegen der Alchemisten vornehmlich Chrysopoeia – die Herstellung von künstlichem Gold – gewesen war, intendierten zahlreiche Adepten nichts Geringeres als die Nachahmung des göttlichen Schöpfungsaktes selbst: Ein Ziel, das sie dazu anspornte, die Natur nicht nur zu imitieren, sondern letztlich sogar zu übertreffen. Dieser Antrieb, Materie als Teil der natürlichen Schöpfung in ein künstlerisches Elaborat zu transmutieren, führte dazu, dass Künstlerinnen und Künstler bis heute – gerade auch in der zeitgenössischen Kunst – die prozessuale Verwandlung des Materials als integralen Bestandteil ihrer Arbeit verstehen.

Zugleich brachte die Kunst seit dem späten Mittelalter eine eigene Bildsprache hervor, die unsere Vorstellung von der Alchemie noch heute prägt. Fabelwesen aus dem Tierreich, zweiköpfige Hermaphroditen, Homunculi im Laborglas und gottähnliche Alchemisten-Schöpfer, die eine künstliche Welt nach ihrer Vorstellung formen, sind die Protagonisten prachtvoller Bilderhandschriften und alchemistischer Traktate. In vielgestaltiger Form finden sie sich heute in unserer Alltagskultur wieder. So wird der alchemistische Mythos bei „Frankenstein“, in Adaptionen von Goethes „Faust“, der US-amerikanischen Fernsehserie „Breaking Bad“ oder dem Manga „Fullmetal Alchemist“ wirkungsvoll in Szene gesetzt.

Die von Jörg Völlnagel kuratierte Ausstellung „Alchemie. Die Große Kunst“ verfolgt diese unterschiedlichen Ausprägungen in der künstlerisch-handwerklichen Praxis und der visuellen Kultur von der Antike bis zur Gegenwart anhand von drei Sektionen: SCHÖPFUNG ist den Ursprüngen der Alchemie gewidmet und zeigt den Einfluss alchemistischer Technologien auf die künstlerische Praxis. SCHÖPFER stellt das Wirken des Alchemisten in den Mittelpunkt, präsentiert ihn bei der Arbeit und illustriert sein Schaffen in allegorischer wie in praktischer Manier. Und GESCHÖPF fokussiert auf das Ergebnis des Opus Magnum bzw. Großen Werkes – die erfolgreiche Umwandlung eines unedlen Ausgangsstoffes in Gold bzw. die geistige Umwandlung des Adepten, die als Homunculus, Stein der Weisen oder als visualisierter Prozess hin zur alles verändernden Transmutation erscheinen kann. Dabei wird deutlich, dass die Alchemie bis zum heutigen Tage weit mehr ist als eine fantastische Flause von künstlichem Gold: Die Alchemie ist ein Schöpfungsmythos und künstlerischem Schaffen daher wesensverwandt.

Gezeigt werden Gemälde und Miniaturen, Zeichnungen und Druckgrafik, Hängerollen, Handschriften und Laborbücher, Fotografien und Cyanotypien, Chemogramme und Scanografien, Skulpturen, Installationen und Videos, falsche Edelsteine und künstliches Gold, Böttgersteinzeug und Porzellan, Goldrubinglas und Schmuck. Die Werke der modernen und zeitgenössischen Kunst stammen u.a. von Carl Andre, Joseph Beuys, Fischli/Weiss, Heinz Hajek-Halke, Anselm Kiefer, Yves Klein, Jeff Koons, Alicja Kwade, Bernhard Prinz, Sarah Schönfeld, Gerda Schütte, Harry Smith, Natascha Sonnenschein, Rudolf Steiner und Maria Volokhova.

Joe Ramirez: The Gold Projections: Somnium, 2017, Filminstallation, Privatsammlung, © Joe
Ramirez

Als Prolog zur Ausstellung und zeitgleich zur 67. Berlinale führt der US-amerikanische Künstler Joe Ramirez vom 7. – 19. Februar 2017 „The Gold Projections“ auf. Erstmals wird Ramirez sein eigens entwickeltes Verfahren – die Projektion von Filmgemälden auf Gold – in einem musealen Kontext zeigen. Der Prolog endet in einer Performance, deren materielle Essenz als Kunstwerk in die Alchemie-Ausstellung Einzug hält.

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