War der Konzertsaal ein NS-Rückzugsort? Neil Gregor enthüllt die Kulturgeschichte der Diktatur
Die Vorstellung des Buches „The Symphony Concert in Nazi Germany“ (2025) beleuchtet, wie das Sinfoniekonzert nach 1933 keineswegs unpolitisch war, sondern gezielt in den Rahmen von Nationalismus und Rassismus eingespannt wurde.
Trotz der zunehmenden politischen und sozialen Umwälzungen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 blieb der Konzertbesuch für viele nichtjüdische Bürger eine scheinbare Konstante. Doch war der Musikgenuss wirklich ein unpolitischer Freiraum?
Prof. Dr. Neil Gregor (University of Southampton) widerlegt diese These in seiner neuen Sozial- und Kulturgeschichte des Konzertbesuchs im nationalsozialistischen Deutschland.
Vom Rückzugsort zur ideologischen Bühne
Gregor stützt sich für sein Buch „The Symphony Concert in Nazi Germany“ auf bisher unerschlossene Archivbestände von Orchestern in ganz Deutschland. Er schildert das kulturelle Leben der Deutschen unter den Bedingungen der Diktatur aus der Perspektive des Publikums und des Systems.
Seine zentrale Schlussfolgerung: Der Konzertsaal war kein Rückzugsort. Das gesamte Konzertwesen wurde vielmehr durch unzählige Maßnahmen in den ideologischen Rahmen von Nationalismus, Rassismus und Militarismus des NS-Regimes eingespannt. Es ging darum, der klassischen Musik ihren Platz im kulturellen Kosmos der Nationalsozialisten zu sichern.
Experten im Gespräch
Die Buchpräsentation wird moderiert von Prof. Dr. Friedrich Geiger (Historische Musikwissenschaft, Hochschule für Musik und Theater München). Er gilt als Experte für die Musik in Diktaturen und im Exil und leitet seit Januar 2025 das Langzeitprojekt „NS-Verfolgung und Musikgeschichte“ der Akademie der Wissenschaften in Hamburg.
Das Gespräch zwischen Gregor und Geiger bietet einen fundierten Blick darauf, wie sich die klassische Konzertszene in Deutschland veränderte und welche Rolle die Musik im Alltag der Deutschen während des Krieges und der Diktatur spielte.
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